Ars Magica – In welchem deiner Finger steckt die Magie?
Ars Magica
In welchem deiner Finger steckt die Magie?

Gastfreundschaft und Gasthäuser im Mittelalter

Die meisten Rollenspieler nehmen an, dass die Unterbringung während der Reise im Mittelalter ähnlich funktioniert hat wie heute. Dies ist jedoch wirklich nicht so - interessanterweise bieten sich damit auch ganz neue Möglichkeiten zum Rollenspiel und Herausforderungen für die Spieler.

Arten der Unterbringung

Im 13. Jahrhundert kommerzialisiert sich die Unterbringung von Reisenden zunehmend, wobei es durchaus große regionale Unterschiede zu geben scheint. Generell stehen folgende Möglichkeiten der Unterbringung offen:

  • Private Unterbringung (Gastfreundschaft): Auch in Europa gab es damals die althergebrachten Regeln der Gastfreundschaft. Im 13. Jahrhundert kann ein Reisender diese jedoch vor allem in abgelegenen Gegenden in Anspruch nehmen (entlegene Bergtäler, Dörfer abseits von Handelsstraßen, usw.), oder wenn er dem Adel oder Klerus angehört. Die Gastgeber mögen überschwänglich freundlich oder mürrisch sein. Klöster könnten Misstrauen gegen fremden Reisenden haben, schließlich könnte es sich um Verbrecher, Reliquiendiebe oder Spitzel eines anderen Orden handeln. Bei Alpenüberquerungen kann es sein, dass Reisende eingeschneit werden und den Winter über bleiben müssen. Mithilfe ist dann angesagt, aber auch die Tochter des Hauses mag den Gast vielleicht nur ungern ziehen lassen…
  • Fondacum, Karavanserei: Dem reisenden Kaufmann ist das Fondaco vorbehalten. Dieser Typ findet sich im 13. Jahrhundert fast ausschließlich im südlichen Raum (auch Süddeutschland, Schweiz) und in großen Handelszentren wie Brügge oder London. Die Aufgabe dieser Herbergen besteht für Händler in Unterbringung, Warenlagerung, Vermittlung von Handelsgeschäften, Information, Kommunikation und sozialen Tätigkeiten (Entspannung, Unterhaltung). Damit sind diese Einrichtungen viel mehr als einfache Herbergen - in manchen Orten sind sie wichtige Handelszentren. Stallknechte, Diener, Unterhalter, Köche und Huren finden hier ihr Auskommen, die reichen Händler gehen hier ein und aus und tauschen Waren und Informationen aus. Nachteil für den einfachen Menschen: Fondaca sind exklusive Clubs der Fernhändler.
  • Hospitz, Herberge: In Städten und Handelsplätzen findet der Reisende Herbergen. Das ist sozusagen der "klassische Fall" der Unterbringung. Wo sie tatsächlich vorkommen und wie sie gestaltet sind, dazu mehr weiter unten.
  • Religiöse Gastlichkeit (Pilgerhospitz): Jeder der sich als mittelloser Pilger ausweisen kann (also einer ohne Pferd oder Gefolge), hat in den meisten Orten Europas die Möglichkeit, kostenlos in Klöstern oder Pilgerhospitzen unterzukommen. Naheliegenderweise verdichten sich diese Unterkünfte entlang der Pilgerstraßen, etwa nach Rom, vor allem aber nach Santiago de Compostella (Es gibt Annahmen, dass bis zu einer halben Million Menschen jedes Jahr nach Santiago reisten). Die Unterkünfte sind zumeist schlicht (Schlafsaal), das Essen ebenso (Suppe, Brei, Gemüseauflauf für die Pilger). Betrügerische Pilger sind durchaus verbreitet, sodass zum einen die Gefahr, betrogen oder ausgeraubt zu werden real ist, zum anderen auch manche Menschen Pilgern grundsätzlich misstrauen (es gibt Berichte von Gewalt gegen und Lynchmorden an Pilgern). Ein Pilger sollte sich demnach auch nicht zu weit abseits der Pilgerstraße bewegen, denn das erregt nur Misstrauen (Spione im fremden Königreich, verkleidete Verbrecher?). Abenteuer ist somit garantiert.

Wer reist im 13. Jahrhundert?

Dazu sagt Peyer: "sehr viele [reisen] relativ wenig". Reisende sind:

  • Herrscher, Adelige, Bischöfe, Fernkaufleute
  • Ordensritter, Söldner
  • Studenten, Gelehrte, Gesellen
  • Pilger, Kleriker
  • Kuriere, Fuhrleute, Viehtreiber
  • Handwerker (v.a. Spezialisten wie Bergleute oder Baumeister), Spielleute

Inwieweit Bauern reisten, ist eine offene Frage. Generell gilt im 13. Jh. im Gegensatz zu früheren Zeiten: Man reist nicht mehr das ganze Leben, Reisen ist ein seltenes Ereignis, das in bestimmten Lebensphasen eintreten kann. Somit werden die Charaktere vielen Leuten begegnen, die "früher einmal gereist sind".

Mehr zum Reisen im Artikel "Reisen im Mittelalter".

Wo kommen Herbergen vor?

Kommerzielle Herbergen für jederman gibt es natürlich in Städten und Handelsplätzen (Marktflecken, saisonale Marktorte, v.a. Messeplätze). Daneben gibt es Herbergen vor allem an schiffbaren Gewässern (wobei "schiffbar" damals fast alles bedeutete, wo man auch mit kleinen Booten fahren kann). Entlang von Straßen sieht das schon schwerer aus, außer es sind regelrechte Fernhandelsstraßen (z.B. Pässe wie St. Bernhard, Reschen oder Fern).

Wer betreibt Herbergen?

Herbergen sind selten Privatunternehmen (nur in großen Städten), sondern werden meistens von der Obrigkeit betrieben. Auf dem Land sind Herbergen oft an alte Fronhöfe oder ähnliches gebunden, in Städten sind die Betreiber die Stadt oder städtische Gruppen (Rat, Geistlichkeit, Händlervereinigungen, etc.). Diese Gebäude wurden häufig an Wirtsleute verpachtet (für durchschnittlich 10-12 Mark pro Jahr). Private Tavernen besitzen dagegen oft keine Unterbringungsmöglichkeit (Schenken und Garküchen in Städten).

Das Aussehen und die Ausstattung von Herbergen

Nördlich der Alpen kommen Gasthäuser mit Einzelzimmern erst im 16. Jahrhundert auf! Meist sind Gasthäuser zu dieser Zeit große Gebäude (deshalb leicht zu erkennen) mit folgenden Räumen:

  • Gaststube, oft der einzige beheizte Raum
  • Stube des Wirtes (private Räume, die höhergestellten Personen ggf. vermietet werden können, wenn der Wirt das will)
  • Kammer (= Schlafsaal - oft ist dies derselbe Raum wie die Gaststube)
  • Küche, meistens ist diese aber in der Gaststube
  • evt.: Pferdestall und Schuppen
  • ggf.: Brauerei, Mälzerei (Bier wurde ja lokal gebraut)

Die Gaststube ist nördlich der Alpen meistens der einzige beheizte Raum. Hier spielt sich das gesamte Leben der Stube ab - Begegnungen, Essen, Trinken und oft genug auch das Schlafen (falls es keinen extra Schlafsaal gibt, der dann sowieso nicht beheizt wird). Die Stube ist deshalb auch sorgfältig gebaut, meist vertäfelt, manchmal auch mit Glasfenstern. Der Ofen des Hauses steht in der Gaststube, weshalb meistens hier auch gleichzeitig gekocht wird.

Selbst in größeren Handelsstädten wie Lübeck gibt es keine Einzelzimmer, außer man kommt bei Freunden unter! Man schläft im Schlafsaal (oder auch mehreren Fünf- oder Sechsbettzimmern) auf Strohsäcken oder in Betten, die oft mehrfach (!) belegt sind. Die höheren Herrschaften mieten sich meistens eine komplette Herberge und richten diese entsprechend vor der Ankunft der Herrschaften entsprechend her (Betten, entsprechendes Essen, usw.). Zum Essen: Herbergen bieten generell einfaches Essen (Suppen, Grützen, usw.). Fleisch und andere Delikatessen muss der Gast schon selbst mitbringen.

Wem begnet man im Gasthaus?

Das kommt stark auf die Funktion des Hauses an, hier einige Ideen:

  • Wirt und Schankknechte, Pferdeknechte, usw.
  • anderen Reisenden (s.o.)
  • Vermittler und Makler (von Geschäften)
  • Dolmetscher und Ortkundige (davon gibt es sicherlich viele und die nerven den Fremden durchaus beharrlich)
  • Fremdenführer (zum nächsten Ort - die Wege sind ja nicht beschildert)
  • Unterhaltungskünstler (Geschichtenerzähler, Würfelspieler, Wahrsager, Lautenspieler, leichte Mädchen)

Rechtliche Besonderheiten

  • Stirbt ein Reisender, so muss die Herberge generell seine Habe aufbewahren. Oft kann dafür jedoch der Wirt oder auch die Herrschaft einen Teil des Besitzes einbehalten (z.B. das beste Hemd, an anderen Orten waren das immerhin 2/3 des Erbes). Außerdem muss eine bestimmte Frist eingehalten werden, z.B. 30 Tage oder 1 Jahr, bevor die gesamte Habe an Wirt oder Herrschaft fällt. Eine interessante Sagaidee wäre, die Habe eines auf Reisen verstorbenen Magus vor dem Zugriff vor Fremden retten zu müssen.
  • Das Haus und sein Friede sind unverletzlich und schützen den Gast (Hausfrieden). Wer als Fremder in die Stadt kommt, hat direkt zum Haus seines Gastgebers zu gehen und dort seine Waffen abzulegen, bevor er in der Stadt seinen Geschäften nachgeht. Geächtete, usw. dürfen natürlich nicht aufgenommen werden… sonst fällt man selbst der Acht anheim. Im Gegensatz zum Haus bietet die Taverne übrigens keinen Schutz für den Gast (also keinen Hausfrieden)!
  • In vielen Städten besteht ein Zwang zur Unterbringung, d.h. die Stadt bestimmt, in welcher Herberge Reisende untergebracht werden!

Erfahrungsberichte von Reisenden

  • Den wenigen Reisenden, die vom Süden in den Norden kamen, macht das Klima in der Regel zu schaffen. Es gibt viele Berichte von Italienern, die über das "barbarische Klima" des Nordens jammern.
  • Ebenso beklagen sich vor allem Italiener über die beheizten Stuben, die sie am Schlafen hinderten, weil sie angeblich keine frische Luft zuliesen.
  • Beim Schlafen sind Doppelbelegungen im nordalpinen Raum üblich (auch für Frauen - es wird im übrigen oft nackt geschlafen). In Schlafsälen werfen die Leute einfach ihre Sachen auf einen Haufen, was manchen Fremden abschreckt, weil sie Angst haben, dass der Dreck von anderer Kleidung auf ihre kommen könnte.

Literatur

  • Peyer, Conrad (Hrsg.): Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter (Schriften des Historischen Kollegs), München 1983.
  • ders.: Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus. Studien zur Gastlichkeit im Mittelalter (MGH Schriften, Bd. 31), Hannover 1987.
  • Reichert, Folker: Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter, Stuttgart 2001.
  • Werke von Anke Greve zu Hosteliers in Brügge.
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